Vorige Woche wurde der Endbericht des IHS zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt veröffentlicht.

„Die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft und Arbeitswelt gefährdet mittelfristig rund 9 Prozent aller Jobs (360.000 Stellen) in Österreich. Per saldo könnte es sogar positive Effekte auf den Arbeitsmarkt haben“, sagte IHS-Chef Martin Kocher am Mittwoch bei der Studienpräsentation. Die Auswirkungen seien „weniger dramatisch als kolportiert.“

Selbst unter der Annahme, dass die sehr optimistischen Prognosen des IHS eintreffen bedeutet das eine Vielzahl an zusätzlichen Arbeitslosen.

In Anbetracht der Umgestaltung des Arbeitsmarktes und der stattfindenden „kalten“ Arbeitszeitverkürzung ist davon auszugehen, dass die angeführten 360.000 Vollzeitarbeitsplätze unter Berücksichtigung der bestehenden Teilzeitarbeitsplätze deutlich mehr aktuelle Arbeitsplätze gefährdet sind.

 

Wie überhaupt die angenommenen Zahlen und somit das Ergebnis des IHS in Frage gestellt werden müssen.

Die Ökonomen des deutschen ZEW-Instituts kamen Mitte 2016 zu dem Schluss, dass Österreich und Deutschland im Vergleich von 21 OECD-Staaten am stärksten von der fortschreitenden Digitalisierung betroffen sein werden. Laut ZEW sind 12 Prozent der Jobs in Österreich und Deutschland durch weitere Automatisierung gefährdet.

Und die Ausgangsstudie von Frey und Osborn aus dem Jahr 2013 geht für den US-Arbeitsmarkt von 47 % gefährdeter Arbeitsplätze aus.

Daron Acemoglu (M.I.T.) und Pasccual Restrepo (University of Boston), die vor einem Jahr noch eine ähnlich optimistische Schlussfolgerung wie das IHS gezogen haben, sind auf grund neuester Entwicklungen nun zu ganz anderen Ergebnissen gekommen.

Who is winning the race for jobs between robots and humans? Last year, two leading economists (Daron Acemoglu of M.I.T. and Pascual Restrepo of Boston University) described a future in which humans come out ahead. But now they’ve declared a different winner: the robots.

Mr. Restrepo said: “I still believe there will be jobs in the years to come, though probably not as many as we have today,” he said.

But now they’ve declared a different winner: the robots

 

Eine Kritik zur IHS-Studie kommt auch von Mario Becksteiner: [1]

Was ich an der Studie viel mehr kritisiere, ist ihre methodische, ihre empirische und ihre theoretische Herangehensweise. 
Ich glaube einfach, solche Studien sind nicht sonderlich ernst zu nehmen, schon gar nicht in dieser Holzschnittartigkeit wie beim IHS Ding.

 

Eigentlich sind sich ja fast alle einig, dass die derzeitigen Entwicklungen keine historischen Vergleichbarkeiten hat.

The speed of current breakthroughs has no historical precedent. When compared with previous industrial revolutions, the Fourth is evolving at an exponential rather than a linear pace. Moreover, it is disrupting almost every industry in every country. And the breadth and depth of these changes herald the transformation of entire systems of production, management, and governance.

 

Besonders deutlich werden diese Auswirkungen anhand dieses Beispiels aufgezeigt:

Statt 650 Beschäftigten arbeiten jetzt nur mehr 60, die Produktivität wurde aber um 250 % gesteigert und die Fehlerquote um 80 % reduziert.

 

The factory recently replaced 90 percent of its human workforce with machines, and it led to a staggering 250 percent increase in productivity and a significant 80 percent drop in defects.

 

Changying Precision Technology Company’s factory used to need 650 human workers to produce mobile phones. Now, the factory is run by 60 robot arms that work around the clock across 10 production lines. Only 60 people are still employed by the company — three are assigned to check and monitor the production line, and the others are tasked with monitoring computer control systems. Any remaining work not handled by humans is left in the capable hands of machines.

 

Von dieser Entwicklung betroffen sind aber nicht nur Arbeitsplätze in Fabriken oder im Transportbereich, sondern in Zukunft vermehrt auch „White-Collar-Jobs“.

In Anwaltskanzleien, in Ärztepraxen, in Redaktionen, in Banken und Versicherungen.

 

And these won’t just be factory jobs, either. At the rate that robotics and artificial intelligence (AI) are advancing, machines will soon be able to take over tasks in a variety of industries and do them just as well as, if not better than, humans. This early into our inevitably automated future, we already have robot lawyers capable of defending parking ticket violations, an AI that can deliver a medical diagnosisas well as a human doctor, robot “journalists,” and even AI therapists that can outperform their human counterparts in terms of drawing out necessary personal information from patients.

 

Wozu Roboter jetzt schon in der Lage sind, wird hier demonstriert:

A new robot is so agile it can run and jump faster than any human

 

Aus all dem ergibt sich, dass unsere Gesellschaft mit vielen Fragen konfrontiert wird, auf die es noch keine Antworten gibt.

Diese Diskussionen haben zwar bereits – sehr zaghaft – begonnen, aber das Thema ist bei weitem noch nicht so öffentlich, wie es notwendig wäre.

 

Auch ethische Fragen.

Das moralische Dilemma der 4. industriellen Revolution:

 

Wir können und sollten die Automatisierung nicht aufhalten, aber wir müssen dafür sorgen, dass die Vorteile dieses Prozesses nicht nur einigen Wenigen, sondern allen zu Gute kommt.

 

The robots shouldn’t be stopped, but we need to keep things fair

 

Ohne gegenzusteuern entwickelen sich grosse Ungleichheiten zwischen wenigen Superreichen die von diesem Fortschritt profitieren und dem grossen Rest der Unterprivilegierten.

Humanity will face questions it hasn’t had to answer yet. We need to start having the conversation now.

If we do not prepare in advance, we face several risks. We risk losing tremendous power to machines. We risk altering the course of humanity without fully understanding the consequences. We risk creating massive inequality between the “techno super-rich” and a large underclass.

Eine neue Studie des IWF zeigt nun, dass nicht nur die Zahl der Arbeitsplätze an sich bedroht ist, sondern die Automatisierung auch massive Auswirkungen auf die Einkommen hat.

In jenen Wirtschaftssektoren, in denen es für Unternehmen besonders billig geworden ist, Menschen zu ersetzen, gab es die größten Einbrüche bei der Lohnquote. Mehr als 50 Prozent des Verlustes sind demnach mit Automatisierung erklärbar, heißt es in der IWF-Studie.

Und genau hier setzt meine Kritik an der aktuellen österreichischen Politik an.

Der „Weitblick“ reicht gerade einmal bis zum nächsten Regierungsstreit und wenn es gut geht bis zur nächsten Wahl.

Visionen sind ja bekanntlich ein Fall für einen Arzt und der berühmte Blick über den Tellerrand ist offensichtlich einer, der am selbsterrichteten Schrebergartenzaun endet.

 

Unsinnige Massnahmen wie die „Beschäftigungsaktion 20.000“ gaukeln für viel Steuergeld Handlungsfähigkeit vor, ohne echte Alternativen für bestehende Probleme zu bringen.

 

Mit den für diese Aktion vorgesehenen 200 Millionen Euro hätte man dem Beispiel Finnland folgend, einen grossen Versuch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen starten können.

10.000 Menschen mit je € 10.000,-/jährlich (also in etwa die Höhe der Mindestsicherung) auf zwei Jahre hätten in dieses Experiment inkludiert werden und somit wichtige Erkenntnisse über Auswirkungen gewonnen werden können.

 

Österreich hätte eine Vorreiterrolle bei einer weltweit immer offensichtlicher werdenden Alternative  übernehmen können.

 

Aber statt dessen wird der Druck auf Arme und Benachteiligte erhöht oder einfach nur Pizza geliefert.

 

[1]

Was ich an der Studie viel mehr kritisiere, ist ihre methodische, ihre empirische und ihre theoretische Herangehensweise. 
Methodisch kann man natürlich sagen das ist alles sehr solide oder auch nicht und es repräsentiert einen alten Methodenstreit. Da ich mich aber selber mit Digitalisierung der Arbeitswelt befasse, glaube ich, dass diese Studie eigentlich eine Kaffeesatzleserei auf hohem Niveau ist.
Wenn ich allerdings in einer quantitativ statistisch angelegten Studie, in Permanenz lese, dass zentrale Variablen geschätzt werden, dies und das angenommen wird und das alles dann auch noch auf einer abstrakten Berechnung für die unterschiedlichen Länder adaptiert wird, dann klingeln die Alarmglocken.
Die Näherungswerte sind dann nicht sehr aussagekräftig. Mir erscheint, dass hier auch sehr lineare Annahmen der Entwicklung vorausgesetzt werden. Obwohl ein notwendiger Kapitalisierungsgrad angenommen wird, kann der halt nicht in die Berechnung aufgenommen werden. So zeigt ja zum Beispiel Staab, dass sehr viele der Technologien an venture capital gebunden sind, die Verwertungsstrategien oft eine sehr kurzfristige Strategie verfolgen, insbesondere die berühmten SV-Start-Ups. Also das Verhältnis Kapitaleinsatz, Kapitalisierungsstrategie, Produktzyklen, Technikverbauung usw. usf., da gibt es einfach auch noch sehr viele unbekannte Variablen.
Was so statistische Berechnungen aber auch auf keinen Fall abbilden können, ist die Einschreibung von Klassenkämpfen in die Technik- und Technikanwendung. So können reale Entwicklungen des Technikeinsatzes stark abweichen von Prognosen. Ein Beispiel: Wichtiger Hintergrund der Kämpfe im Gesundheitssektor ist die massive Unterbesetzung. In Deutschland trifft sich diese Entwicklung mit einem Anstieg von PatientInnen in Notaufnahmen. Das sind immer wieder große Konfliktpunkte, die vom Marburger Bund aufgenommen werden. Jetzt können solche Konflikte über Einsatz von Fixen Kapital/ Technikeinsatz (Maschine statt Mensch), Variablen Kapital (Mehr Personal), neuen Organisationsweisen gelöst werden. Das kann bedeuten, große Player sehen hier eine Möglichkeit der Kapitalisierung von Technikpotential und investieren vlt. dort wo man nicht damit gerechnet hat.
Der dritte Kritikpunkt ist die sehr eindimensionale theoretische Betrachtung dessen, was sie andeutungsweise Basistechnologie nennen. Das Problem ist, sie denken das Ganze eigentlich nur von der, im engeren Sinne, Produktionssphäre her und von der Tätigkeit. Sie erwähnen zwar die Studie von Brynjolfsson und McAfee, gehen aber nicht weiter darauf ein. Digitalisierung und hier sind wir schon an einem Kernproblem, ist keine einfache Produktionstechnologie die additiv einfach hinzugefügt wird, sondern eher als kulturelle, technologische und organisationale Veränderung zu benennen, die gesamtgesellschaftliche Veränderungen hervorbringt. Dabei verbinden sich oft schon vorhandene Technologien, mit neuen Verfahren, durch die neue Potentiale gehoben werden können. Kernelement ist wie ich denke, das Potential das in Big Data, Smart Data, Datenarchitektur und der algorithmischen Verknüpfung steckt (zum Beispiel die Verknüpfung von OLAP (Online Analytical Process)-Würfel und Big Data). Gekoppelt mit sich steigernden Rechnerleistungen, ergeben sich hier neue Wahrnehmungsmuster und Herrschaftsmomente, die zum Beispiel eine Komplexitätsbild in Unternehmen vollkommen verändern und ganz andere Herrschaftsfähigkeit von betrieblichen Bürokratien ermöglicht. Genauso wissen wir aber noch sehr, sehr wenig darüber, wie Lohnabhängige, Formen der Subversion gegenüber zum Beispiel Controlling 4.0 entwickeln und damit Entwicklungspfade beeinflussen. 

Ich glaube einfach, solche Studien sind nicht sonderlich ernst zu nehmen, schon gar nicht in dieser Holzschnittartigkeit wie beim IHS Ding.

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1 thought on “Pizza für Alle

  1. Dort wo autonome Maschinen immer mehr Arbeitsplätze zerstören, gibt es immer weniger Einkommen von Menschen, die dann das Geld für den Verbrauch des von ihnen Erzeugtem verwenden.
    A,M. erzeugen zwar, aber sie konsumieren nicht – so wie die Menschen. Wenn aber die Menschen kein Geld aus Arbeitseinkommen erhalten, können sie auch das von ihnen Erzeugte nicht kaufen. Die Produktion erstickt damit in einem immer weiter wachsenden unverkaufbaren Berg von Gütern.
    A.M. verschleißen aber, und müssen durch neue A.M. ersetzt werden. Dazu aber müssen das investierte Geld wieder zurückverdienen, im es erneut zu investieren. Das aber ist nur möglich, wenn das für den Konsum der Menschen Erzeugte zu einen die Investitionskosten deckenden Preis verkauft werden kann. Dazu aber müsste der Staat seine Bürger mit Geld versorgen, mit dem sie die Konsumgüter kaufen können. Er sollte dieses Geld nicht als ein arbeitsloses Einkommen verschenken, sondern damit staatliche und private, zwischenmenschliche Dienstleistungen bezahlen.
    Dazu aber braucht der Staat ein Geld, das ursprünglich als schuldenfreies Zahlungsmittel entsteht und auf das er so ohne Verschuldung z ugreifen kann, das aber zugleich die Fähigkeit hat, als schuldenbelastetes Kreditmittelfür die Investitionen zu dienen. Geeignet hierfür ist ein Aktivgeld, wie es Thomas Mayer („Die Neuordnung des Geldes“) beschrieben hat.
    Die Wirtschaft wird weiterhin durch das Bemühe, aus Geld mehr Geld zu machen, angetrieben. Dieser Antrieb darf durch die Versorgung des Staates mit Aktivgeld nicht zerstört, aber entschleunigt werden. Nur durch eine solche Entschleunigung kann die Belastung der Umwelt reduziert werden.
    Der Kapitalismus ist damit nicht abgeschafft, aber doch etwas gezähmt.

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