Wiens Grünen-Chefin Vassilakou hat es wieder einmal geschafft, ein wichtiges Thema so zur Diskussion zu stellen, dass die eigentlich wünschenswerte und notwendige Diskussion von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.

Die City-Maut.

Und dass, obwohl laut einer repräsentativen SORA-Umfrage eine Mehrheit in Wien für die Citymaut ist. Auch 60% der Autofahrer sind dafür.

Wien ist die eine der am stärksten wachsenden Grossstädte und nach Berlin die zweitgrösste Stadt im deutschsprachigen Raum. Damit einhergehend sind notwendiges Wachstum von Wohnraum und Infrastruktur wie z.B. bei Krankenversorgung oder Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. Und natürlicherweise auch eine Zunahme beim Verkehr.

 

In Wien waren allein im Jahr 2017 rund 962 Millionen Fahrgäste öffentlich unterwegs. Rund 90 Prozent der Wienerinnen und Wiener fahren mit dem Öffentlichen Verkehr, zwei Drittel sogar täglich oder mehrmals pro Woche. Davon waren 778.000 Menschen mit der Jahreskarte der Wiener Linien. Damit sind weiter deutlich mehr Jahreskarten im Umlauf als PKW in Wien gemeldet. Der Modal-Split-Anteil des öffentlichen Verkehrs liegt mit 38 Prozent weiter auf hohem Niveau.

„Verkehrsmittel“ – Wiener sind fleißigste Fußgänger Österreichs

Eine aktuelle VCÖ-Analyse auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt. 67 Prozent der über 15-Jährigen gehen für Alltagserledigungen täglich Strecken, die länger als 250 Meter lang sind, zu Fuß, sogar 87 Prozent zumindest mehrmals die Woche. Zum Vergleich: 61 Prozent fahren mehrmals die Woche mit dem Auto, 31 Prozent sind häufig mit dem Fahrrad unterwegs und 27 Prozent fahren häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln. das Potenzial für mehr Fußgängerverkehr groß ist, zeigt sich auch daran, dass jede 15. Autofahrt kürzer als 1 Kilometer ist. 

 

Die Bilanz des öffentlichen Verkehrs gegenüber dem MIV (motorisierten Individualverkehr) innerhalb Wiens hat sich also auf Grund vieler Anstrengungen und Massnahmen, zwar gebessert, aber das Problem der „Einpendler“ aus dem Umland vergrössert sich ohne weitere Massnahmen immer mehr.

 

Täglich kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln 111.060 Menschen nach Wien.

Mehr als das Dreifache – 376.660 – allerdings mit dem Auto!

Der viel diskutierte Lobautunnel wird aber keine Entlastung bringen.

Die Asfinag selbst macht auch gar kein Hehl aus den Effekten der Straßenbauten: „Der Ausbau des höchstrangigen Straßennetzes in der Ostregion bewirkt eine starke Verbesserung der Erreichbarkeiten im MIV“ heißt es in der Untersuchung. „Es findet eine stärkere Entwicklung statt, die zu einem erheblichen Teil auf dem MIV als vorrangigem Verkehrsmittel basiert.“

Zusätzlich wächst der „Speckgürtel“ um Wien und vergrössert damit das Problem.

Manche Gemeinde im Wiener Speckgürtel wächst so stark, dass ein Baustopp verhängt werden muss, um das Wachstum einzubremsen.

 

Das Fehlen langfristiger überregionaler Konzepte zur Verkehrsplanung (Ausbau von S- oder U-Bahn, Regionalbahnen) oder verfehlte Steuerpolitik (Pendlerpauschale) zwingen die Politik nun zu drastischeren Massnahmen. Auch die zu erfüllenden Klimaziele spielen dabei eine wesentliche Rolle.

 

Eine von Shell  (!) in Auftrag gegebene Studie kommt zu folgenden Ergebnissen:

Die zunehmende Motorisierung der Bevölkerung mit Zuwächsen um bis zu 35% führt in Verbindung mit der dezentralen Siedlungsentwicklung und dem Ausbau der Hochleistungsstraßeninfrastruktur (S1, S2, A5 usw.) zu einer Art „Speckgürtel“ um Wien. Die Anzahl der Wege mit dem Pkw nimmt deutlich zu. So steigt der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (Pkw und Motorrad) von 34% auf bis zu 45 % im Trendszenario. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs sinkt hingegen von 35% auf 29%. Die Summe der zurückgelegten Pkw-Kilometer eines Werktages wird im Trend um ca. 90% anwachsen. Das wird vor allem in der Stadt Wien zu deutlich mehr überlasteten Straßen führen. Im Trendszenario ist nahezu mit eine Verdreifachung der Straßenkilometer mit Überlastung (mehr als 5 Stunden pro Tag) zu rechnen. So zeigt zum Beispiel der Gürtel bei der Volksoper einen Anstieg der überlasteten Tageszeiten von derzeit einer Stunde auf das Fünffache, auf der Südosttangente beim Knoten St. Marx steigt die Anzahl der überlasteten Tagesstunden von derzeit 3 Stunden auf weit mehr als 5 Stunden pro Tag.

Schlüsselmaßnahmen sind die Einführung einer flächendeckenden Maut für den Pkw-Verkehr von 0,08 €/km (Spitzenzeit) bzw. 0,04 €/km (Schwachlastzeit) in Wien und 0,04 €/km (Spitzenzeit) bzw. 0,02 €/km (Schwachlastzeit) im Umland. Darüber hinaus wird der Straßenausbau gegenüber dem Trendszenario reduziert. Ebenfalls ist eine massive Förderung des öffentlichen Verkehrs sowie des Fußgänger- und Radverkehrs vorgesehen. Dies führt zu einem deutlichen Anstieg der Kostendeckung des Pkw-Verkehrs auf 72%

Im Maßnahmenszenario kann eine Trendumkehr erzielt und ein Nachhaltigkeitsindex von 64% erreicht werden. In diesem Fall würde sich der Personenverkehr somit einem nachhaltigen Zustand deutlich annähern. Dies bedeutet aber die konsequente Umsetzung auch unpopulärer Maß- nahmen. Man sollte sich allerdings bewusst sein, dass „keine Entscheidung“ zur Umsetzung von Maßnahmen im Sinne einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung eine Entscheidung dagegen bedeutet.

 

Es gibt natürlich Beispiele einer „City-Maut“, die nichts zur Lösung der Probleme beitragen. Siehe London. Dort haben Paketzusteller und alternative Taxianbieter wie Uber haben das Verkehrsaufkommen in den letzten Jahren wieder steigen lassen.

 

Optimalerweise erfolgt eine Einführung einer derartigen kilometerabhängigen Verkehrsabgabe im internationalen Zusammenhang, wie z.B. einer EU-weiten Regelung. Es sollte vermieden werden, dass jedes Land, jede Stadt, jeder Schrebergarten eine eigene Lösung mit unterschiedlichen EDV-Systemen, Zahlungsströmen usw. implantiert. Ein einheitlicher Rahmen mit regionalen Anpassungen – auch was die Höhe der Maut angeht – ist technisch machbar und die sinnvollste und erfolgsversprechende Lösung.

 

Als weitere ergänzende Massnahme dient der kostenlose öffentliche Personen Nahverkehr. Beispiele wie Melbourne oder Tallinn zeigen, dass dies ebenso zu einer Verringerung des motorisierten Individualverkehrs in Ballungsgebieten führt.

 

Anhand all dieser Argumente ist also ersichtlich, dass eine „Mautdiskussion“ unausweichlich ist.

 

Um Zustimmung für die Idee der Maut zu generieren hätte Frau Vassilakou vielleicht populistischer agieren sollen. Etwa, dass nur Kfz mit ausländischen Kennzeichen betroffen sein werden. Oder sie hätte vom Schliessen der Balkanroute reden können, weil ja bekanntlich der Balkan in Wien beginnt. Auch das Wording Wirtschaftsflüchtlinge statt Pendlern hätte für Beifall sorgen können.

 

So aber – auch wenn der grundsätzliche Ansatz richtig ist – ist diese Diskussion schon von vornherein polarisiert und zum Scheitern verurteilt.

Shame on you Frau Vassilakou!

 

In diesem Sinne:

Bleibt´s gsund und losst´s eich nix gfoin!

Und passt´s auf eich auf!

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