Was Alleinerziehende und Ed Sheeran mit „Double Irish With a Dutch Sandwich“ und Cum-Ex zu tun hat? Nix! Oder doch?

 

Die ÖsterreicherInnen sparen pro Monat und Kopf € 245,-. Macht pro Jahr 2.940,-.

Bei einer 4-köpfigen Familie macht dass dann am Ende eines Jahres € 11.760,- mehr auf dem Sparkonto.

Also durchschnittlich halt.

Weil natürlich gibt’s da dann welche, die mehr sparen können und welche, die gar nix sparen können.

Zum Beispiel jene 10 % Alleinerziehender, die unter akuter Armut leben müssen.

Dafür haben dann andere natürlich mehr als der Durchschnitt so hergeben würde.

Sagen wir einmal das Doppelte. Das wären dann € 23.520,-

Oder noch viel mehr am Konto – sagen wir 100.000,-

 

Alles legal, hart erarbeitet und ordentlich versteuert.

So soll(te) es sein und es ist ihnen vergönnt.

 

Der Ed Sheeran hat wahrscheinlich noch viel mehr auf seinem Konto.

Auch ihm sei es gegönnt.

Hat er doch im vergangenen Jahr immerhin 5,29 Mio Pfund an Steuern abgeliefert.

Bei einem Verdienst von 27 Millionen.

 

Amazon dagegen hat 2 Milliarden Pfund verdient.

Aber nur 4,5 Millionen an Steuern bezahlt.

Facebook hat 1,3 Milliarden Gewinn gemacht und 7,4 Millionen an Steuern bezahlt.

Weniger als ein Prozent des Jahresumsatzes.

Bei Apple, Starbucks, McDonalds, Google usw. läufts ähnlich.

Das ist schon sehr viel weniger vergönnt – im Gegenteil ist das höchst bedenklich.

Aber immer noch legal.

Weil ihnen Staaten wie Irland oder die Niederlande scheunengrosse Schlupflöcher in den Steuergesetzen zur Steuervermeidung und -umgehung öffnen.

Abhilfe wäre dringend vonstatten.

Aber anstatt Steuerfluchtrouten zu schliessen, schwafelt man was von der Balkanroute und lässt lieber ein paar unschuldige Kinder im Mittelmeer ersaufen.

Das lenkt vom Thema ab.

Und Österreich spielt da eine nicht untergeordnete Rolle. Ist doch Finanzminister Löger z.B. gegen neue Transparenzregeln für Großkonzerne (Country-by-Country-Reporting) in der EU.

 

Jetzt ist der Double Irish With a Dutch Sandwich nicht unbedingt von hohem Neuigkeitswert. Schon seit einigen Jahren wird das auch öffentlich thematisiert.

Allerdings ohne nennenswerte Änderungen an diesen Steuervermeidungsaktivitäten.

Die OECD schätzt, dass den EU-Staaten dadurch ein jährlicher Steuerbeitrag in dreistelliger Milliardenhöhe entgeht.

 

Alles ganz hart am Rande der Legalität.

 

Ganz und gar nicht legal sind dagegen die Aktivitäten, die unter dem Begriff Cum-Ex und Cum-Cum zusammengefasst werden.

 

Dabei werden Aktien mit Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin und her geschoben, bis den Steuerbehörden nicht mehr klar ist, wem sie überhaupt gehörten und dann werden mehr Steuern rückerstattet, als zuvor eingenommen wurden.

 

Ein Steuerbetrugskarussell, bei dem bisher davon ausgegangen wurde, dass hauptsächlich Deutschland betroffen und ein Schaden von 5,3 Milliarden Euro entstanden ist. Diese Praxis wurde 2012 von den Steuerbehörden beendet.

 

Angeblich.

 

Wie die Rechercheplattform CORRECTIV nun aufdeckt, dreht sich dieses Ringelspiel nach wie vor munter weiter und es ist sogar wesentlich grösser als bisher vermutet.

Der Schaden beläuft sich demnach auf mindestens 55,2 Milliarden Euro.

 

Banken, Steuerberatungskanzleien, Anwälte, Konzerne und Superreiche sind am Raubzug an europäischen Steuereinnahmen beteiligt. Und Österreich ist davon deutlich stärker betroffen, als bisher vermutet – das „Sahnehäubchen“ der Steuermafia.

 

Schon im Juli dieses Jahres veröffentlichte der österreichische Rechnungshof Berechnungen, die ergaben, dass bei den Cum-Ex-Geschäften tatsächlich ein Schaden für die Republik Österreich  entstanden war: Am Beispiel einer ausgewählten österreichischen Aktiengesellschaft betrug dieser für das Dividendenausschüttungsjahr 2012 zumindest 1,78 Mio Euro. Mangels Daten und Informationen war es jedoch nicht möglich, den tatsächlich entstandenen Gesamtschaden bei Cum-Ex-Geschäften zu berechnen.

 

Interessant dazu folgende Passage:

Viele Risiken, die zu Mehrfacherstattungen und in der weiteren Folge auch zu einem potenziellen Schaden führen konnten, waren dem Finanzministerium seit dem Jahr 2006 bekannt. In mehreren Projekten, Berichten und Arbeitssitzungen wiesen das zuständige Finanzamt sowie Expertinnen und Experten des Ministeriums auf die Probleme hin. Das Finanzministerium setzte die Lösungsvorschläge für Verfahrensvereinfachungen und –unterstützungen aber nicht um – laut Stellungnahme aufgrund begrenzter Personal- und IT-Ressourcen.
Die seit spätestens 2007 als unzureichend erkannte Personalausstattung des zuständigen Finanzamts wurde über Jahre hinweg nicht verbessert.

 

Die dafür zuständigen Finanzminister:

Bis Dezember 2008 – Wilhelm Molterer

Bis April 2011 – Josef Pröll

Bis Dezember 2013 – Maria Fekter

Bis September 2014 – Michael Spindelegger

Bis Dezember 2017 – Hans Jörg Schelling

Seit Dezember 2017 – Hartwig Löger

Seit Jänner 2020 – Gernot Blümel

Allesamt ÖVP

Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

 

Jetzt ist das alles natürlich eine ziemlich komplizierte, vielschichtige Angelegenheit und für „Otto Normalverbraucher“ nur schwer zu durchschauen.

Deshalb der Versuch an einem anschaulichen Beispiel die Auswirkungen dieser Machenschaften für uns alle zu verdeutlichen.

 

Stellt´s euch also vor, ihr sitzt in einer sehr grossen Gesellschaft bei einer Veranstaltung in einem Lokal und konsumiert Speisen und Getränke.

Am Ende ist dafür die Rechnung fällig und jedeR Beteiligte zahlt nun seinen Obolus in einen  (Steuer)Topf ein, mit dem diese Rechnung bezahlt werden soll.

Manche mehr und manche weniger. Je nach Konsumation und finanziellen Möglichkeiten.

Da sitzen dann aber auch welche an den Tischen, die sich durch alle möglichen Ausreden und Tricks davor drücken ihren fälligen Anteil zu bezahlen und deutlich weniger als gerecht und notwendig in diesen Topf einbezahlen. Das sind jene (Konzerne), die legale Steuervermeidungsmöglichkeiten bis zum Exzess ausnutzen.

Schlimm genug. Denn das bedeutet, dass alle anderen einen höheren Beitrag leisten müssen.

 

Und dann sind dann noch jene, die nicht nur nichts in den gemeinsamen Topf einzahlen, sondern sich still und heimlich grosszügig aus diesem Topf bedienen und alle anderen bestehlen.

Sie stehlen mein, dein, unser Geld!

Aber damit nicht genug, müssen wir dann noch zusätzlich Geld in den Topf einzahlen, um die Rechnung zu begleichen.

Das ist Cum-Ex.

 

Aber uns will man weismachen, die Flüchtenden sind an allem schuld!

 

In diesem Sinne:

Bleibt´s gsund und losst´s eich nix gfoin!

Und passt´s auf eich auf!

 

Und hier die aktuelle Entwicklung – Stand 14.2.2020

P.S.: Die Story hinter der Aufdeckung dieses Raubzuges liest sich wie ein aufregender Krimi, der das Zeug zu einem Hollywood-Blockbuster hat.

Ergänzung 19.3.2020

Es gibt ein erstes Urteil.

Zwar kommen die beiden angeklagten Aktienhändler mit milden Bewährungsstrafen davon, weil sie eng mit der Staatsanwaltschaft kooperiert haben. Wichtiger aber ist die grundsätzliche Bedeutung des Urteils.

Damit ist ein jahrelanger Grundsatzstreit um die Frage entschieden, ob Cum-Ex nicht nur aus moralischer, sondern auch aus juristischer Sicht zu verurteilen ist.

Das ist zumindest jetzt in Deutschland gültig.

In Österreich ist diesbezüglich noch gar nichts geschehen.

Aber bei uns dauert halt alles ein bissl länger. Der Gesamtschaden wird bisher auf € 1,2 Milliarden geschätzt.

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