Verdacht auf Verhetzung Homosexueller: Anzeige gegen Papst Franziskus und katholische Kirche
Österreichisches Kultusamt verweigert Rechtshilfe und erklärt, die Kirche steht über dem (Bekenntnisgemeinschaften-)Gesetz: Betroffene wenden sich an die Staatsanwaltschaft.
Im März hat das Europäische Parlament die EU zur LGBTIQ Freedom Zone erklärt, vier Tage später verkündet der Papst in einer Aussendung, Homosexualität sei nach wie vor eine Sünde. Zusammen mit der Piratenpartei Österreichs habe ich das Kultusamt (Teil des österr. Bundeskanzerlamts, Anm.) aufgefordert, die Vereinbarkeit mit dem Recht für Bekenntnisgemeinschaften zu prüfen. Dieses hat seine Hilfe verweigert. Die Piratenpartei und mein Regenbogen Start-Up FFPride2 zeigen den Sachverhalt heute bei der Staatsanwaltschaft an, um gegen diese Diskriminierungspraxis der Kirche und Untätigkeit der Behörde vorzugehen.
„Die Wächter über die Glaubensgemeinschaften sind von Frömmigkeit geblendet und verwehren ihre Hilfe. Queer- und Homosexuellenfeindlichkeit hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Minderheitenrechte dürfen kein Lippenbekenntnis bleiben, es braucht klare Ansagen des Rechtsstaates.“ – Peter Postmann, Betroffene und beschwerdeführende Person, FFPride2/Piratenpartei
Kirche steht über dem Recht
Die Behörde hätte die Anfrage „ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen acht Wochen nach Einlangen“ (Auskunftspflichtgesetz) beantworten müssen. Nach 8 Monaten und einer kostspieligen Anwaltskorrespondenz kam die Antwort: „Vorweg dürfen wir uns für den unbeabsichtigten verlängerten Aktenlauf entschuldigen“, heißt es dazu lapidar vom Kultusamt, weiters: „Die katholische Kirche erhielt ihre gesetzliche Anerkennung allerdings nicht aufgrund dieses Gesetzes, sondern gilt als historisch anerkannt […] bzw. ergibt sich ihre Rechtsstellung aus [dem] Konkordat […] §11a BekGG ist daher auf die katholische Kirche nicht anzuwenden“. Das Kultusamt verweigert jenen Paragrafen zu exekutieren, der prüft, ob eine Glaubensgemeinschaft eine positive Einstellung zu Staat und Gesellschaft hat, also ob die getätigten Aussagen mit tragenden Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung vereinbar sind.
Selbsthilfe gegen „Hass im Netz“
Mangels Unterstützung der Zuständigen bringen wir eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen Verdacht auf Verhetzung ein. Das Gesetzespaket „Hass im Netz“ soll einen effektiveren Schutz vor Hasspostings bieten und eine Klärung ohne Kostenrisiko herbeiführen. Dazu haben wir eine Sachverhaltsdarstellung verfasst: Homosexualität als „falsche“ und „sündige“ Lebensweise zu bezeichnen verletzt u.E. die Menschenwürde, weil es Homosexuelle als minderwertig darstellt und ihnen das Lebensrecht als gleichwertige Bürger*innen abstreitet. Die Aufforderung, den „Willen Gottes zu begreifen, ganz zu erfüllen und sich von seinem Liebesplan verändern zu lassen“, verstehen wir als Aufruf zur Gewalt: „Umpolungen“ führen bei den Betroffenen zu Leid in Form von Depressionen, Selbsthass oder Selbstmordversuchen. Ein Verbot dieser Konversions- und „reparativen“ Therapieformen besteht in zahlreichen Ländern und ist in Österreich längst überfällig. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Brücken bauen
Uns geht es um den Dialog und darum, die teils mittelalterlichen Dogmen auf Vereinbarkeit mit einer modernen Gesellschaft zu prüfen. Die vielen Regenbogenfahnen an Kirchen und der „Ungehorsam 2.0“ jener Gemeinden, die sich über den Willen ihres Oberhaupts hinweggesetzt, trotzdem gesegnet und damit aktiv an einer inklusiven Gesellschaft gearbeitet haben, sind ein starkes, mutiges und klares Zeichen, das wir sehr begrüßen. Sichtbarkeit für Minderheitenthemen braucht oftmals einen Kunstgriff wie diesen. Die katholische Kirche hat die Ressourcen diesen Weg mit uns zu gehen. Wird die Staatsanwaltschaft tätig, ermöglicht das weitere Schritte gegen das Kultusamt. Das Vorgehen ist Kritik an der Untätigkeit des Rechtsstaates und seiner Institutionen und zeigt, dass es noch ein langer Weg zum gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung und zur Säkularisierung ist.
Eine Master- oder Doktorarbeit wäre auch ein geeignetes Instrument diese Sachverhalte der Rechtswissenschaften zu erörtern. Wir beschreiten diesen Weg parallel und vergeben ein Stipendium an Interessierte: Bewerbungen an info@ffpride2.com.
Die Anzeige im Wortlaut gibt es hier als PDF.
Photo by Nacho Arteaga on Unsplash
Kann man ein traurig ernsthaftes Thema ungeniert verblödeln?
Eine Firma mit Faible für Buntfarbiges – ich habe mich noch durch keine kitschfarbene Fahne oder Maske weltanschaulich oder inhaltlich vertreten gefühlt – möchte eine Kirche mit Vorliebe für bunte Farben verklagen, weil diese sexuell verklemmt spricht und agiert und ist verärgert, weil das nicht von Erfolg gekrönt war.
Ein billiges Mittel, Aufmerksamkeit für einen kommerziellen Betrieb zu erhalten?
Wenn es um Inhalte ginge, hätte man den Firmennamen nicht eingebracht.