die normalität ist bei uns grad in aller munde.

die frau deren stellvertreter keinesfalls ein landeshauptfrau-stellvertreter sein will, hat in einem anfall von marxismuspanik einen leserbrief an die „krone“ geschrieben.

hier der brief in ganzer länge

und ein paar tag später hat sie im DerStandard nachgelegt und die durch ihren stellvertreter ausgelöste genderdiskussion zum anlass genommen um „Kante für die normal denkende Mitte unserer Gesellschaft zu zeigen. Für die schweigende Mehrheit.

Dazu ein Faktencheck durch Ludwig Laher, Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung, der den schlechten Stil in ihrem Kommentar kritisiert:

Landeshauptfrau Mikl-Leitner würdigt 2021 den „Leitfaden geschlechtergerechtes Formulieren“ des Arbeitskreises Gender-Mainstreaming in der NÖ-Landesverwaltung mit einem Vorwort. Darin hält sie fest: „Neben der Gleichstellung von Frauen und Männern rückt zunehmend das Recht der Menschen auf den selbstbestimmten Ausdruck der Geschlechtsidentität (Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention) in den Blickpunkt. Dies schlägt sich auch in der Sprache nieder. 

einschub in eigener sache:

wieso wird werbung bzw pr im standard (in der krone erwarte ich derartige redlichkeit ohnehin nicht) nicht mehr als solches gekennzeichnet? glaubt wirklich irgendjemand, dass dieser kommentar ganz persönlich von der frau mi-lei verfasst wurde, oder doch von einer/einem der vielen pr-beschäftigten der övp-niederösterreich (oder vielleicht gar auf der gehaltsliste des landes nö stehend)?
was kommt als nächstes?
ein leserbrief des herrn karl – verfasst von fleischmann?

vizekanzler kogler hält übrigens diese „immer wieder bemühten Bezüge auf die „normal denkenden“ Menschen für „brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid„. „Eine derartige Herangehensweise ist das Einfallstor für das Böse in der Welt, um in der Diktion der katholischen ÖVP zu sprechen“

für die övp ist das dann wiederum die Präpotenz des moralischen Hochadels

und mi-lei beharrt darauf, dass sie:

„der schweigenden Mehrheit der normaldenkenden Menschen eine kräftige Stimme geben will.“


das mit der „normalität“ ist ziemlich hinterfotzig.
das problem ist dabei nicht die „normalität“ an sich, sondern das festschreiben einer einzigen normativen normalität durch eine politische partei und eine verächtlichmachung aller anderen ausserhalb dieser subjektiven norm.

aber back to normal

der hausverstand und der gesunde menschenverstand, die breite mehrheit der mitte, und mehr als einmal die betonung der „normal denkenden“. ist das normal?

aber was is schon normal?

Normalität ist aus soziologischer Sicht als das Selbstverständliche in einer Gesellschaft, das nicht mehr erklärt und über das nicht mehr entschieden werden muss, bezeichnet worden. Dieses Selbstverständliche betrifft soziale Normen und konkrete Verhaltensweisen von Menschen. Es wird durch Erziehung und Sozialisation vermittelt und gewährleistet Sicherheit (Handlungskompetenz) zwischen den Menschen einer Gesellschaft.

wirklich gscheiter macht uns das auch nicht, weil wir ja unterschiedlich erzogen und sozialisiert wurden. zb in favoriten oder in kitzbühel, in allentsteig oder in velden. als tocher eines tiroler lehrerehepaars oder als sohn einer alleinerziehenden pfleghilfskraft, als sohn einer oberdöblinger zinshausbesitzerin, oder als tochter eines amazonzustellers. und diese unterschiede können neben allen anderen (haut- oder haarfarbe, herkunft usw.) schon gewisse auswirkungen auf die eigene „normalität“ haben.

der florian klenk, der übrigens aktuell von der övp mit dem vorwurf „gesinnungsjournalismus“ attackiert wird, hat anlässlich der teilnehmer*innen an den corona-demos schon festgestellt:

Normale Leute. Genau das ist das Problem.

ollas gauns normale leit

die soziologin Paula-Irene Villa Braslavsky nennt die normalität einen populistischen sehnsuchtsort und führt als beispiel für die instrumentalisierung dieses begriffes die AfD an.

vom 09.04.2021 – und damit ist auch klar, wo die övp nach langem suchen ihre normalität gefunden hat.

„Darin liegt die Behauptung:

Wir sind das Volk, die Mehrheit, die einfachen Leute, der gesunde Menschenverstand.“

das kommt uns allen sehr bekannt vor – „Wir sind nicht rechtsextrem, sondern normal“ deklariert sich unser BIMAZ und nunmehrige selbsternannte VOKAKI  (VOlksKAnzlerKIckl) deutlich.

der  herr kollege mi-leis, landeshauptmann von tirol, erzählt auch stolz eine episode aus seinem wahlkampf und trägt diese wie einen orden vor sich her:

„Dann hat die Dame gesagt: ‚Das g’fallt mir, Sie essen Eis wie ein Normaler.'“

der kogler stellt allerdings in seinem  interview auch fest, dass er nicht weiss „wo der Unsinn mit „normal“ hinführen soll“?

auch da weiss die frau landeshauptfrau eine antwort.

„Für uns sind Normaldenkende die Mitte der Gesellschaft. 

das „normale“ führt uns also in die mitte der gesellschaft

wie sich nehammer die mitte vorstellt, haben wir übringens in der vergangenen woche gesehen.

zwischen vucic und orban.

aber bleiben wir noch kurz bei der angeblich normalen mitte

Was uns alle eint

Wir wollen – ob bewusst oder unbewusst – zur Mittelschicht gehören.

Aber – die Mitte, zu der sich alle Menschen zählen, gibt es nicht

Der Ökonom Homi Kharas sieht die Mittelschicht (middle class) generell als eine nicht recht fassbare soziale Klassifizierung, deren Angehörige – vereinfacht ausgedrückt – befähigt sind, ein komfortables Leben zu führen. Hierzu gehören die Wahrnehmung von höheren Bildungs- und Kulturangeboten, eine stabile Arbeitssituation, passable Wohnverhältnisse sowie eine ausreichende Gesundheitsversorgung und Alterssicherung.

Nach letzterer Definition gehören weltweit 1,8 Milliarden Menschen der Mittelschicht an, davon mehr als die Hälfte in Europa und Amerika, und ein gutes Viertel im pazifischen Asien.

Fakt ist auch: Menschen, die zum ärmeren Teil der Bevölkerung zählen, fühlen sich meist gar nicht so arm.  Menschen, die faktisch zur reicheren Bevölkerungsgruppe gehören, schätzen sich im Gegensatz dazu häufig ärmer ein.

Die Menschen in der Mitte fürchten sich einerseits davor abzurutschen und arm zu werden. Gleichzeitig hoffen sie auch eines Tages zu den Reichen zu gehören. Tatsache ist aber: Mittlere Einkommen stiegen einer Studie zufolge in den letzten Jahren ein Drittel weniger als das Durchschnittseinkommen der oberen zehn Prozent.

Ein Blick nach Österreich:

Zwei Drittel der Österreicher finden, dass sie zum Mittelstand gehören.

Aber nur 13 Prozent gaben an, sich dezidiert nicht in der Mittelschicht zu sehen.

diese selbsteinschätzung verzerrt natürlich auch politische debatten. eine verzerrung die in weiterer folge dann zur o.a. völlig sinnlosen, faktenbefreiten diskussion um normalität führt.

was wissen wir noch über die mitte?

Mehr Menschen benutzen die mittleren Toiletten (60 Prozent) als die am Rand (40 Prozent).

und dass, obwohl das gar nicht clever ist, weil in öffentlichen toiletten die mittleren am häufigsten benutzt werden und dort somit die meisten bakterien vorhanden sind.

das zeigt:

die „mitte“ ist gefährlich und ungesund.

angesichts derartiger fakten fragt man sich dann:

ist das die normalität des bösen oder die normalität der blöden?

in diesem sinne:

bleibt´s gsund und losst´s eich nix gfoin!

passt´s auf eich auf und wehrt´s eich!

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1 thoughts on “back to normal

  1. Bravo, Hagerhard, ’scheit und auf den Punkt. gebracht.
    Musste vorhin 2/8 trinken, sonst hält man die unsäglichen Wortspenden und bösartigen Kommentare von Frau Kickl-Meitner, dem Nähhammerl, der Eckstadlerin, Plakolm, Sachlehner, Mahrer (Karl) & Co nicht aus.

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