Ich amüsier mich jedes Jahr über dieses Posting der Jungen ÖVP.

Fast ebenso amüsant ist das aktuelle Posting der FPÖ. Auch da gibts ganz offensichtlich grossen Bildungsbedarf. Vor allem auch, was die eigene Vergangenheit betrifft.

Wie man sieht, ist selbst bei politischen Organisationen noch einiges an Unwissenheit vorhanden.

Es heisst übrigens Nationalfeiertag.
Und zwar seit 1965.
Lange hielt sich die Legende, dass der Grund für die Feierlichkeiten der Abzug der letzten Befreiungssoldaten war.

Das stimmt nur bedingt.

Es ist der Tag der Unterzeichnung des (erzwungenen/erpressten) Neutralitätsgesetzes.
Erzwungen deshalb, weil es ohne diese Neutralität keine Zustimmung der Sowjets zum Staatsvertrag gegeben hätte.

Diese „immerwährende Neutralität“ ist in der Zwischenzeit fixer Bestandteil der österreichischen Seele. So wie das Schnitzl, die Lippizaner oder die Mozartkugel.

Zum Feiertag wurde der Nationalfeiertag aber erst ein Jahr später, also 1966.

Bei der Gelegenheit muss man auch festhalten, dass sich in der ÖVP bezüglich Arbeitnehmer*innenfreundlichkeit in den vielen Jahren nicht viel geändert hat.

Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP) sah keinen Grund für bezahlte, ganztägige Arbeitsruhe, ginge es doch beim Nationalfeiertag nicht um den materiellen Vorteil, sondern einzig im ideellen Gewinn liege die Bedeutung dieses Tages. 

Als ich in die Schule ging, hiess es noch Tag der Fahne.
Irgendwann in den 70ern wurde daraus „Fit mach Mit“ und der Nationale Wandertag.
Hauptsache Feiertag und die Möglichkeit einen Herbsturlaub zu geniessen.
So ein kleiner Ausflug in die Toscana, ein Wellnesswochenende oder ein Städtetrip – halt für jene, die sich derartiges noch leisten können. Die anderen nutzen die Tage um sich vom zunehmenden finanziellen Druck ein bissl zu erholen.

Das deckt sich auch mit den Gründen für das Datum dieses Feiertages.
Es hätte nämlich viele andere, plausiblere Möglichkeiten für einen Nationalfeiertag gegeben.
Den 8. Mai, an dem die Armee des 3. Reiches kapitulierte. (An dieser Stelle gilt es aus aktuellen Gründen festzuhalten, dass zwar Nazi-Deutschland kapituliert hat, nicht aber der Faschismus.) Oder den 15. Mai, den Tag der Staatsvertragsunterzeichnung.

Aber der Mai war aufgrund der ohnehin vielen Feiertage eher unerwünscht.
Also irgendwas im Herbst.
So hat man sich auf den 26. Oktober geeinigt.

Diese „immerwährende“ Neutralität ist in den vielen Jahren seit diesem Beschluss ganz fest ins „Nationalbewusstsein“ von Herrn und Frau Österreicher eingesickert.
Gleich nach der wunderschönen Landschaft und den Erfolgen unserer SkifahrerInnen kommt unsere Neutralität in der Aufzählung für die Gründe des Nationalstolzes.

Wir sind neutral!

Alle bei uns sind neutral! (also fast – nur die NEOS tanzen da ein bissl aus der Reihe)
Wir sind alle ein Neutron!
Wir sind so neutral, dass sich diese Neutralität von ganz rechts bis ganz links erstreckt.
In der Neutralität sind sich sogar FPÖ und KPÖ einig.
Dabei ist es völlig egal, ob diese Neutralität noch besteht (was nach dem EU-Beitritt stark bezweifelt werden muss) und ob es sinnvoll ist neutral zu sein.

Aber die vom Staat Österreich gelebte Neutralität, passt irgendwie auch gut zur Mentalität grosser Teile der Bevölkerung.
Wir tun oft neutral, auch wenn wir in Wirklichkeit nur feig sind.
Wir ergreifen nicht Partei für eine Seite.
Wir sind nicht links und nicht rechts.

Zumindest wird das oft so argumentiert.
Aber natürlich ist die tatsächliche Verhaltensweise NICHT neutral.
Ganz im Gegenteil.

Es wird immer Partei ergriffen.
Für oder gegen „Flüchtlinge“
Für oder gegen Sozialabbau.
Für oder gegen Klimaschutz.
Für oder gegen.
Frei nach Watzlawick: Man kann nicht nicht Partei ergreifen.

Wobei ich an diesem Punkt eingestehe, dass gerade die Wiener Mentalität eine nahezu buddhistische Bewusstseinserweiterung verinnerlicht hat

MIA IS WUASCHD

Das ist mir bekanntermassen sehr sympathisch, ist aber was anderes als Neutralität.

Wir feiern heute also eigentlich nicht die Nation sondern die Neutralität – oder so halt.
Aber wir tun so, als ob wir die Nation Österreich feiern würden.
Weil warum würds sonst Nationalfeiertag heissen?
Eh wuaschd – weil wir sind ja neutral.
Da werden dann von diversesten Würdenträgern salbungsvolle Reden gehalten und unser Bundesheer hält am Heldenplatz eine Leistungsschau.
Wir regen uns auf, wenn jemand von einer „Nazion“ schreibt.

Gerade jene, die irgendwann einmal von der Missgeburt der Nation Österreichs gesprochen haben, gebieren sich in Rot-Weiss-Rot, auch wenn sie bei diversen Anlässen mit Rot-Schwarz-Gold auf der Brust durch die Gegend stolzieren.

Wahrscheinlich, weil sie neutral sind.

Und ich nehm mir das Recht heraus, diesem Feiertag ganz neutral gegenüber zu stehen. Mehr noch:
Mia is a wuaschd!

In diesem Sinne:
Bleibt´s gsund und losst´s eich nix gfoin!
Passt´s auf eich auf und wehrt´s eich!

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