Was ist Kunst?

Im Bundesverfassungsgesetz vom 12.5.1982, Art 17a StGG heisst es:

Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.

Die Definition des Kunstbegriffes wurde vom österreichischen Verfassungsgesetzgeber unterlassen, weil es unmöglich ist, die Kunst als Rechtsbegriff zu konkretisieren und eine nur einigermaßen praktikable Definition der Kunst in einen Verfassungstext aufzunehmen

Von uralten Höhlenmalereien bis hin zu modernen Farbklecksen – seit jeher ist die Kunst eines der wichtigsten Mittel des Menschen, um sich auszudrücken. Bis heute ist sie, egal ob in Form von Bildender Kunst, Musik oder Literatur, Schauspiel, Theater, Film, Video, Aktionismus ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft.

Es gibt unzählige Versuche zu definieren, was Kunst ist.

Die Kunst vollendet das, was die Natur nicht ins Werk umsetzen kann, oder sie ahmt nach.“ (Aristoteles, 284-322 bc)

Kunst ist die Königin aller Wissenschaften, die zu allen Generationen der Welt spricht.“  (Leonardo da Vinci, 1452-1519)

„Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen.“ (Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832)

„Alle Kunst ist ziemlich nutzlos.“ (Oscar Wilde, 1854-1900)

„Kunst ist Kunst. Alles andere ist alles andere.“ (Ad Reinhardt, 1913-1967)

„Kunst ist all das, womit du davonkommst.“ (Andy Warhol, 1928-1987)

Und meine Lieblingsdefinition stammt angeblich von Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy (1801-1862) und ist dementsprechend sehr wienerisch.

„Kunst kommt nicht vom Können – weil wenn mans kann is ka Kunst!“

Der Kunstbegriff ist, wie man auch den angeführten Zitaten entnehmen kann, einer dauernden Veränderung durch den Zeitgeist unterworfen. Kunst aber auch als etwas zu verstehen, was den aktuellen „Zeitgeist“ überdauert. Kunst hat also sowohl in der jeweiligen Gegenwart, als auch darüber hinaus, den Zeitrahmen sprengend, seine Gültigkeit.

Ein Beispiel für diese Unterschiedlichkeit zwischen Empfinden der Nachwelt und der Wertigkeit und das Verständnis durch Zeitgenossen erfuhr Mozart durch den Kaiser.

Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viel Noten, lieber Mozart soll Joseph II nach der Uraufführung der Oper „Die Entführung aus dem Serail“  gesagt haben.

Noch drastischer ist diese Differenz bei Van Gogh.

Während er zu Lebzeiten nur wenige Bilder verkaufen konnte, erzielen seine Werke seit den 1980er Jahren bei Auktionen Rekordpreise.

Wenn wir uns also heutzutag über Kunst unterhalten, brauchen wir uns nicht über die „Klassiker“ streiten.

Mozart, Beethoven, Goethe, Shakespeare, Da Vinci, Michelangelo und wie sie alle heissen – die Liste mit den „Ausserstreitstehenden“ ist lang und wohlbekannt.

Im Gegensatz dazu werden Diskussionen über „die Moderne“ oft lebhaft und kontroversiell geführt.

Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit.

Dieser Wahlspruch der Wiener Seccesionisten, die sich damit vom damals gültigen konservativen Kunstbegriff abgrenzen wollten, gilt wohl heute mehr denn je.

Gerade die damit angesprochene Freiheit der Kunst und wie Gesellschaften mit dieser Freiheit umgehen, vermittelt ein Spiegelbild über die Freiheit der jeweiligen Gesellschaft und den totalitären Ansprüchen ihrer Mächtigen.

Das Musterbeispiel für diese totalitäre Vereinnahmung der Kunst ist, wie bei vielen anderen Extremen auch, das 3. Reich.

Bücherverbrennungen und Klassifizierung ungewünschter Kunst als „entartet“ und deren Verbot sind in dieser Ausprägung beispiellos, wenn auch „Kunstverbote“ zu allen autoritären Regimen gehören.

Beispiele für diese Vorgangsweisen finden sich der Sowjetunion ebenso, wie in der Volksrepublik China.

Prominente Beispiele:

Alexander Issajewitsch Solschenizyn, der seine Unangepasstheit mit vielen Jahren GULAG bezahlte

oder

Ai Weiwei, dem wegen regierungskritische Äusserungen der Prozess gemacht wurde und im Gefängnis landete.

Andererseits gibt es aber auch die Vereinnahmung von Kunst und Künstlern durch diese Diktaturen zu Propagandazwecken.

Leni Riefenstahl oder Richard Wagner seien hier als Beispiel angeführt.

Staatskunst steht somit im Gegensatz zu freier Kunst.

 

 

 

Kunst ist somit auch immer anhand ihrer Freiheit zu beurteilen.

Kunst ist somit auch immer politisch und gesellschaftsverändernd.

Damit verbunden ist auch die Frage: Was darf Kunst?

Die einzig mögliche Antwort: Alles!

(mit der Einschränkung, dass keine strafrechtlichen Tatbestände vorliegen, die gegebenenfalls durch unabhängige Gerichte festgestellt werden müssen)

Kunst darf und muss Grenzen aufzeigen und provozierend sein. Kunst ist die Avantgarde, die zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigt und vorweg nimmt.

Damit steht Kunst im Sinne der Moderne oft auch zwangsläufig im Widerspruch zum Establishment und zum konservativen Eliten-Kultur-Betrieb.

Wie sich Akzeptanz von Kunst im Lauf der Zeit verändert, lässt sich am Lebenslauf von Günter Brus, Mitglieder der Gruppe Wiener Aktionismus, schön darstellen und verdeutlichen.

Wien im Jahr 1968: Der sozialistische Studentenbund SÖS lädt zur Veranstaltung „Kunst und Revolution“ in den Hörsaal 1 der Uni Wien. Man will abrechnen mit der Bigotterie in Österreich und dem autoritären Mief der Nachkriegsjahre. Pamphlete werden gelesen, Brandreden gehalten. Der junge Aktionist Günter Brus springt auf den Tisch, ritzt sich mit einer Rasierklinge die Brust, stuhlt, uriniert und bricht auf die österreichische Nationalflagge. Dabei singt er die Bundeshymne. Zwei Tage später tobt die Öffentlichkeit: „Ins Gefängnis mit den obszönen Rowdies!“ Der von der „Kronen Zeitung“ geprägte Begriff „Uni-Ferkelei“ geht in die österreichische Geschichte ein. Brus wird wegen Herabwürdigung der Staatssymbole zu sechs Monaten verschärften Arrests verurteilt. Er entzieht sich, flüchtet für 10 Jahre nach Westberlin, entwickelt sich zum Bilddichter und Literaten. Heute ist Günter Brus 75, Staatspreisträger und hat sich „ausgezeichnet“, wie er selbst sagt. Seit 2008 hat er sein eigenes Museum: Das „Bruseum“ in der steirischen Landeshauptstadt Graz.

Eine Ironie der Geschichte?
Nein. Das entspricht der Gewöhnlichkeit könnte man fast sagen. Denken wir etwa an Kokoschka, der ja auch als sogenannter „entarteter Künstler“ wie viele andere ins Ausland flüchten musste. Er hat dann in einem Brief einmal vermerkt, dass er dieses Land nie wieder betreten wird. Gekommen ist es  dann ganz anders: Innerhalb kürzester Zeit hat er den Bundespräsidenten gemalt, dann die Wiener Staatsoper und dann gründete er in Salzburg die Sommerakademie für Bildende Kunst.

Ähnliche Karrieren finden sich bei vielen Avantgarde-Künstlern wie z.B. Valie Export oder Peter Weibel.

Eine weitere sich abzeichnende Entwicklung ist die Übernahme der Bildsprache zeitgenössischer  Kunst in die Populärkultur und noch sich weiter entfernend, in die Werbung.

Robbie Williams zum Beispiel liess sich für die Eröffnung seiner Take the Crown Stadium Tour im Jahr 2013 vom österreichischen Aktionskünstler Flatz beeinflussen

und Sophia Thomalla wird für einen Online-Lottoanbieter am Kreuz präsentiert. Vorbild dafür dürfte wohl die Fotografin Bettina Rheims sein, die im Jahr 2000 mit „I.N.R.I.“ mit ihrer Ausstellung von Jesus-Porträts für einen Skandal sorgte.

Apropos Kunst und Werbung.

Ein weiteres Minenfeld.

Wie weit lassen sich Künstler kaufen. Wie weit wird Kunst vom „Markt“ beeinflusst und gesteuert?

Spätestens seit Warhol muss allen bewusst sein, dass Werbung und Kunst manchmal zu eineiigen Zwillingen verschmelzen.

„Was ist Kunst?“ lässt sich also eindeutig NICHT beantworten.

Was sich aber mit einem eindeutigen JA beantworten lässt, ist die Frage, ob Kunst politisch ist. Immer.

Auch wenn sie vorgibt, dies nicht zu sein. Frei nach Watzlawicks „Man kann nicht nicht kommunizieren“, kann Kunst sich nicht seiner gesellschaftlichen Relevanz entziehen.

Eine Beobachtung möchte ich aber nach meinen Recherchen doch festhalten.

Ich habe keinen einzigen relevanten zeitgenössischen „rechten“ Künstler gefunden, der als Beispiel dienen könnte.

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