Die Prater-Hauptallee am Sonntag Nachmittag mit den Hunden. Leider komm ich viel zu selten dazu. Oder lüg ich mir da was vor und hätte eigentlich viel mehr Zeit, wenn ich nur wirklich wollen tät? Egal. Jetzt bin ich da und geniesse es. Man sieht Naomi und Josi richtig an wie glücklich sie sind, wenn Sie so herumtoben können. Können Hunde glücklich sein? Ich bild mir ein, dass meine Hunde auch Gefühle haben. Da kann mir die Wissenschaft erzählen was sie will. Meine Hunde haben Emotionen und nicht nur Triebe. Ich bild mir sogar ein, dass speziell meine Josi richtig lächeln kann. Und bös und beleidigt schauen kann sie auch.
Jetzt hat sie aber keinen Grund dazu. Alles und Jedes interessiert sie hier und jetzt.
Und mich auch. Ich beobachte die Sonntagsnachmittagsgesellschaft. Die Spaziergeher, die Läufer, die Radfahrer und auch die Skater.
Sämtliche Gesellschaftsschichten sind am Sonntagnachmittag hier vereint. Alle haben eine bestimmte Art von Uniform an.
Da gibt es die „bürgerliche Elite“. Man merkt die „Freizeitkleidung“. Die Jean hat eine Bügelfalte und der Pulli ist aus Kaschmir. Der Hemd-/Blusenkragen ist lässig aufgeknöpft und die Schuhe sind von Todd´s. Auch wenn ich die Stutzen nicht seh, weiß ich, es sind Burlingtons. Ihre Kinder schauen aus wie kleine Erwachsene und benehmen sich auch so. Er arbeitet in einer Bank im mittleren Managment und sie ist Hausfrau und Mutter. Wohnen tun sie in Döbling oder in Hietzing. Das Auto ist ein SUV oder ein BMW-Kombi. Und der Hund ein Golden Retriever. Den Sommerurlaub verbringt man im Club Med und im Winter fährt man nach Lech oder Zürs. Er wählt ÖVP oder die NEOS und sie die Grünen – solang es sie noch gibt.
Das Gegenteil davon sind die „Hausmeister“ – ich hab nichts gegen Hausmeister, meine Mutter war auch eine Hausbesorgerin. Und ich werde das auch nicht vergessen und verleugnen. In den seltensten Fällen sind das, was ich als Hausmeister bezeichne auch wirklich Hausmeister.
Die, die ich mein, sind die, die sich im Sommerurlaub am Strand von Lignano oder Caorle herumtreiben, sauer sind, wenn sie dort kein Schnitzel mit Erdäpfelsalat kriegen und nur Schwechater Lager trinken. Im schlimmsten Fall hat sie fünfundzwanzig Kilo Übergewicht und trägt eine rosa Legging. Dazu einen gelben Sweater mit einem großen Nike- oder Adidas-Logo auf der Brust und weiße Stöckelschuhe. Er hat seinen Gössermuskel, den er über viel zu dünnen Beinen vor sich herträgt unter einem Ballonseidentrainingsanzug versteckt. Den Trainingsanzug hat er am Mexikoplatz von einem dieser Ausländer gekauft, über die er sonst beim Wirten fürchterlich herzieht. Dazu trägt er normale schwarze Straßenschuhe mit weißen Tennissocken. Der Schäferhund heißt Rex und frißt Wurstsemmeln. Ihre mindestens zwei Kinder ernähren sich nur von McDonalds und sehen auch so aus. Aber sonst sind die Kinder noch das normalste an der Familie. Das Auto ist ein Skoda, oder noch besser ein großer gebraucht gekaufter Mercedes. Vom Wählen hält sie sowieso nichts, weil sie sich erstens nicht auskennt und zweitens die sich da oben sowieso alles richten wie sie wollen. Er wiederum ist der Meinung, das endlich einer hergehört, der den Saustall ausmistet und für Recht und Ordnung sorgt. Einer, der schaut, dass der Hassan und die Svetlana ja nicht zuviel Sozialleistungen in Anspruch nehmen und dass die vielen Neger, Polaken, Araber und was weiß er wo die noch alle herkommen, wieder abgeschoben werden. Mindestens. Einer wie der HC halt. Und den wählt er auch.
Dann gibts da noch die Pensionisten. Hauptsächlich Frauen. Zu zweit oder zu dritt sitzen sie auf den Bankerln und unterhalten sich über das Fernsehprogramm von gestern Abend und bedauern, dass es den Musikantenstadl nimmer gibt. Oder über den Arztbesuch und die neuen Medikamente die sie nehmen müssen. Das Ur-Enkerl ist vielleicht noch ein Thema und wie süß und nett das nicht ist. Noch keine zwei Jahre alt und kann schon bis zehn zählen. Und neuer Wintermantel wird keiner mehr gekauft, weil wer weiß ob sich das noch auszahlt. Oft hab ich den Eindruck, die schlagen nur mehr die Zeit tot bis sie endlich sterben können. Rot gewählt haben sie schon vor dem Krieg und das wird auch in alle Ewigkeit so bleiben. Das Einzige, was sie noch am Leben hält ist ihr Hund. Meistens auch schon ein alter Hund. Im besten Fall ein kleiner Mischling, der frech aus den Augen sieht. Im schlimmsten Fall ein Yorkie, der schon kläfft, wenn ein normaler Hund auch nur in die Nähe kommt.
Und was ist mit mir? Meine Jean ist verbeult und zerrissen, mein schwarzes T-Shirt markenlos, die Lederjacke ein upgefucktes Erbstück aus den Fünfzigern, meine Schuhe sind vom Schuster aus Budapest, der Hut ist aus Florenz, die Socken schwarzer Zwirn und die Sonnenbrillen überhaupt von überall her. Mein Kind ist eine vorlaute, „alleinerziehende Tochter“ wie sie sagt. Mein Auto ist ein Kleinwagen und die Vespa mein bevorzugtes Verkehrsmittel. Und meine Hund sind klein, dick, haben kurze Haxen und sind störrisch, so wie ich. Ich hab nichts gegen Ausländer und Schwule. Ich geh am Sonntag nicht in die Kirche und halte Religion überhaupt für überflüssig. Ich zahl brav Steuern und schimpfe über die Banken. Ich hab schon SPÖ, Grüne und LIF gewählt und möcht gerne eine echte Linke wählen.
Ob das auch so eine Uniform ist, die ich da anhabe? Und ob ich auch in eine solche Schublade gehöre?
Möchten tu ich das ja nicht. Will wahrscheinlich keiner. Aber sein wirds trotzdem so.
Wahrscheinlich gehör ich in die Lade der präpotenten unverstandenen Besserwisser.