Es begann, wie einst bei uns im Mai.

Im Feber 1992 wurde Mario Chieso, Bürgermeisteraspirant der PSI (Partito Socialista Italiano) bei der Übernahme von Schmiergeld verhaftet.

Staatsanwalt Antonio Di Pietro ermittelte unter dem Namen Mani pulite und im April 1992 wurden viele Industrielle und Politiker fast aller Parteien wegen Verdachts auf Korruption verhaftet. Ein System von Korruption, Amtsmissbrauch und illegaler Parteifinanzierung offenbarte sich.

Minister, gegen die Anklage erhoben wurde, wurden sofort entlassen.

In Folge wurde auch der Sohn des Staatsanwalts mit der Ermordung bedroht.

Praktisch die gesamte politische Klasse Italiens war betroffen. Besonders die größte Partei des Landes, die Democrazia Cristiana, rückte nun ins Rampenlicht, zahlreiche Exponenten wurden mit Prozessen überzogen. Ergebnis: der Zusammenbruch der damals wichtigsten politischen Parteien, wie der Democrazia Cristiana und des Partito Socialista Italiano

1995 gelangten die Ermittler gegen Tangentopoli selbst in den Blickpunkt der Justiz. Zahlreiche Anklagen wurden vor allem gegen Di Pietro erhoben. Bald jedoch stellte sich heraus, dass der leitende Ermittler, der Brescianer Staatsanwalt Fabio Salamone, der Bruder eines von Di Pietro wegen Korruption verhafteten Mannes war, der anschließend zu 18 Monaten Haft verurteilt worden war. Salamone wurde seiner Aufgabe entbunden, und zwei Carabinieri wurden wegen Verleumdung verhaftet.

Und dann kam Berlusconi. Bunga-Bunga-Silvio Silvio stampfte eine neue Bewegung aus dem Boden, die die Überwindung des alten Systems und eine „liberale Revolution“ versprach. Der Medientycoon galt vielen als Hoffnungsträger, der dem Land den nötigen Reformschub verpassen könnte.

Berlusconi führt einen regelrechten Kreuzzug gegen die „roten“ Richter und die Tangentopoli-Jahre bezeichnet er als Bürgerkriegsperiode.

Die Bilanz Berlusconis kann sich übrigens durchaus sehen lassen: Bislang wurde er mehr als zwei dutzend Mal vor Gericht angeklagt, drei Mal rechtskräftig und zwei Mal in erster Instanz verurteilt, sieben Mal wegen Verjährung freigesprochen, vier Mal aus Mangel an Beweisen. Weitere sieben Verfahren gegen ihn wurden eingestellt. So schaut die Überwindung des altes Systems dann aus.

Irgendwie erinnert Tangentopoli sehr an die aktuellen Vorkommnisse in Österreich.

 „Staaten, die in ihren Systemen kaputt sind.“

Sebastian Kurz im Juli 2020 über Österreichs südliche EU-Nachbarn

Im Mai 2019 wurde das berühmte „Ibiza-Video“ mit Vizekanzler Strache veröffentlicht.

Regierungskrise, Koalitionsbruch, Misstrauensantrag, Neuwahlen.

Und was den Italienern Antonio Di Pietro war, ist uns nun der Ibiza-Untersuchungsausschuss.

Wobei es bei uns keinen Berlusconi brauchte um eine neue Bewegung neuen Stils zur Überwindung des „alten Systems“ aus dem Boden zu stampfen. Aus alt mach neu und aus schwarz türkis. Und schon war alles anders.

Kein Streit in der Koalition, kein Anpatzen, keine Packelei! Mit diesem Versprechen ist Sebastian Kurz 2017 angetreten und hat aus der eben noch alten schwarzen ÖVP die türkise schöne „neue“ Volkspartei gemacht.

Aber, welch Überraschung, so neu ist diese ÖVP doch nicht.

Da steckt ganz offensichtlich sehr viel Democrazia Cristiana hinter der neuen Fassade. Und  weil wir schon bei Italien sind, vielleicht auch ein bissl „La Familia“.

Auch, wenn es noch keine rechtskräftigen Verurteilungen gibt (immerhin gibt es den Ex-ÖVP-Innenminister Strasser und den Ex-Finanzminister KHG, die schon ein paar Schritte weiter sind, als die amtierenden „Systemerneuerer“) scheint der Weg vorgezeichnet.

Bereits im Anfang 2020 entdeckte Kanzler Kurz nach 11 Jahren ÖVP-Justizministern im eben jenem Justizministerium die roten Netzwerke in der Justiz. Ob er jetzt wie dereinst Berlusconi eine Bürgerkriegsperiode ausmachen wird?

Vergleichbar auch die Angriffe der Betroffenen auf die ermittelnde Justiz und nachfragende Mitglieder des Ibiza-UA. Da wird auch nicht vor Angriffen auf unbeteiligte Familienmitglieder von lästigen Oppositionspolitikern halt gemacht.  

Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka ortet einen Angriff auf den Rechtsstaat, gemäß dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“:

Es seien alle gut beraten, darüber nachzudenken, dass der Rechtsstaat wichtiger ist als Individualinteressen. Österreich habe zwar einen starken Rechtsstaat, aber er sei „nicht unzerstörbar“

Eine ganz wesentliche Rolle in diesem System spielt(e?) der nun im Rampenlicht stehende Christian Pilnacek.

Es stellt sich immer mehr heraus, dass es völlig nebensächlich war, wer unter dem allmächtigen Sektionschef Minister war.

Zadic-Vorgänger Josef Moser wurde da schon einmal als A-loch bezeichnet und mit Vorvorgänger Brandstetter, nunmehr Ex-Mitglied des VfGH, gibt es einen ersten Rücktritt.

Da wurden Verfahren „daschlogn“, per Weisung eingestellt oder subtil be- oder verhindert.

Pilnacek war sowas wie der „Tatortreiniger“ der ÖVP.

Tatortreiniger sind Spezialisten, die nach einem Gewaltverbrechen oder einem Unfall, die  Spuren am Ort des Geschehens beseitigen.

Auch dem, nun seit Ende Feber suspendierten mächtigen Beamten, wurden diverse Chats zum Verhängnis. Er steht im Verdacht das Amtsgeheimnis verletzt zu haben.

Bereits legendär: “Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?”

Auch zeigt er sich ganz als „Familienmensch“.

In Zusammenhang mit einer offenen Leitungsfunktion merkt Pilnacek an: Man könne doch seine „Frau ein wenig fördern“.

Wesentlich bedenklicher allerdings ist seine Meinung zum Rechtsstaat:

„Einem vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat kann man nicht mehr dienen.“

„Ich bin vermutlich wie die Tiere. Darum steh ich so herum.“

Apropos Chats. Es gibt auch wieder neue Auswertungen aus den Schmid-Protokollen.

Nicht ganz überraschend offenbart sich, was er von dir, mir, uns hält.

Wir sind der „Pöbel“ und er hasst es, „dass ich da herkommen muss zu diesen Tieren.“

Eine Kurzbeschreibung des Beidlpicsammlers als Posting im Standard:

„Ein sexsüchtiger Kokser, der das Vermögen der Republik „verwaltet“ und die Bevölkerung als Pöbel und Tiere bezeichnet.“

Schmid ist ja auch der Ansicht, dass er sich seine „Position“ hart erarbeiet hat.

Naja – irgendwas wird da vielleicht schon „hart“ gewesen sein.

Er ist noch immer in Amt und Würden!

Über das Warum kann spekuliert werden. Was weiss er? Sind die Verantwortlichen vielleicht erpressbar durch dieses Wissen?

Kurios: Die Wiener Band: Blümchen Blau veröffentlichte im Jahr 1982 ein Album mit dem Titel „Wie die Tiere“ – der Sänger war davor bei einer Wiener Punkband mit dem Bandnamen „Pöbel“.

In diesem Sinne:

Bleibt´s xund und losst´s eich nix gfoin!

Passt´s auf eich auf und wehrt´s eich!

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